Seit 2018 wird die Bedarfsermittlung in der Eingliederungshilfe auf Grundlage des § 118 SGB IX praktiziert. Das Gesamtplanverfahren wurde implementiert, wodurch sich Strukturen und Prozesse bei Leistungsträgern und -erbringern verändert haben. Mit der dritten Reformstufe des BTHG wurden zudem die Leistungen der Eingliederungshilfe aus dem System der Sozialhilfe herausgelöst und zu einem modernen, personenzentrierten Teilhaberecht reformiert. Damit wurde ein Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe vollzogen. An die Stelle der Fürsorge tritt das Prinzip der Selbstbestimmung. Im Zentrum der Leistungsgestaltung steht der Mensch mit Behinderungen mit seinen Vorstellungen zu seinen Wünschen und persönlichen Zielen. Die Schritte vom Bedarf zur Leistung können nicht ohne die leistungsberechtigte Person gegangen werden. Die Leistungserbringung hat konsequent personenzentriert zu erfolgen.
Mittlerweile wurde viel praktisches Wissen erworben, Methodiken entwickelt und Routinen etabliert. Trotzdem bleibt eine zentrale Frage offen: Wie können die im Gesamtplanverfahren identifizierten Leistungen so gestaltet werden, dass sie den leistungsberechtigten Personen tatsächlich eine individuelle Lebensführung ermöglichen und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fördern?
In einem ersten Vortrag führten Eva Maria Keßler und Thomas Schmitt-Schäfer von mit „transfer- Unternehmen für soziale Innovation“ thematisch in den Tag ein und gaben einen Einblick in den praktischen Umsetzungsstand von der ICF-orientierten Bedarfsermittlung zur personenzentrierten Leistungserbringung. Im Anschluss daran erörterte Simon Kerkhoff von der Eingliederungshilfe im Kreis Schleswig-Flensburg anhand eines Praxisberichts die Umsetzung aus Trägersicht und zeigte anhand von Fallbeispielen Herausforderungen sowie Lösungsansätze für eine erfolgreiche Bedarfsermittlung und Leistungsaufstellung auf. Aus der Perspektive der Leistungserbringer berichteten Christoph Petry und Jan Peter von „sozial-therapeutische projekte e.V.“ von der personenzentrierten Leistungserbringung und des Umstellungsprozesses in der eigenen Einrichtung am Beispiel der Entwicklung eines ambulanten Assistenzbetriebes für die Versorgung in der eigenen Häuslichkeit. Die Perspektive der Leistungsberechtigten nahm in einem nächsten Input Sven Lehmann wahr, der Leistungen der Lebenshilfe Berlin bezieht und Auskunft darüber gab, ob und wie sich das BTHG auf seinen Lebensalltag ausgewirkt hat.
Die zweite Hälfte des Veranstaltungstages leitete Martina Kleinrahm von der Lebenshilfe Berlin mit einem Impulsbeitrag zu einem Projekt im Rahmen des § 132 SGB IX ein. Abgeschlossen wurde der Veranstaltungstag mit einer Podiumsdiskussion, in der die Akteure aus dem sozialrechtlichen Dreiecks, Simon Kerkhoff, Christoph Petry, Jan Peter und Sven Lehmann zu aktuellen Herausforderungen sowie einem erfolgreichen Umgang mit diesen Stellung genommen haben. Sie haben insbesondere an eine enge, personenzentrierte sowie ICF-orientierte Zusammenarbeit aller Akteure für eine erfolgreiche Leistungserbringung appelliert.
Programm
Stand: 09. April 2024
Präsentationen
Hier finden Sie die Präsentationen der Vorträge im PDF-Format. Die Präsentationen sind barrierefrei.
Vortrag: Von der ICF-orientierten Bedarfsermittlung hin zur personenzentrierten Leistungserbringung - eine Bestandsaufnahme der Praxis
Referierende: Eva Maria Keßler und Thomas Schmitt-Schäfer, transfer – Unternehmen für soziale Innovation
Vortrag: Gewährleistung des Wunsch- und Wahlrechts von der Bedarfsermittlung bis zum Leistungsbescheid –Praxisbericht anhand des Eingliederungshilfeträgers Landkreis Schleswig-Flensburg
Referent: Simon Kerkhoff, Sachgebietsleitung Eingliederungshilfe beim Kreis Schleswig-Flensburg
Vortrag: Personenzentrierte Leistungserbringungen – Entwicklung innovativer und attraktiver Konzepte– Ideen aus der Praxis
Referierende: Christoph Petry und Jan Peter, sozial-therapeutische projekte e.V.
Vortrag: Impulsbeitrag § 132 Projekt Zukunft Inklusion
Referentin: Martina Kleinrahm, Lebenshilfe Berlin